Transsexualität und Abgrenzung

Zuerst möchte ich auf den Begriff Transsexualität und seine Bedeutung eingehen.
1976 als es mit der Forderung nach dem späteren TSG (TransSexuellen Gesetz) los ging war dieser Begriff so eindeutig das der Gesetzgeber sicher was dass dieser Begriff nicht definiert werden müsse.
Damals hieß es dass sowohl in der Medizin wie auch im Rechtssystem  transsexuelle Menschen deutlich von anderen Gruppen (damals wurden Transvestiten und Homosexuelle genannt) abgegrenzt werden könnten. Abgrenzung war also etwas völlig „Normales“ und der Begriff wurde als „Abgrenzender Begriff“ geprägt. Transsexuelle Menschen waren damals die jenigen Menschen die ihre gegengeschlechtlichen Körpermerkmale (konkret Genitalien und Hormonstatus) angleichen ließen. Über viele Jahre behielt dieser Begriff seine klare Bedeutung.

Auch heute gibt es Menschen die mit gegengeschlechtlichen Körpermerkmalen geboren werden und diese ihrem instinktiv erwartetem Geschlecht angleichen lassen. Man nennt dies auch Geschlechtskörper-Diskrepanz. Es gibt in den USA sogar eine Studie bezüglich Phantomgefühlen für die „fehlenden Genitalien“ (insbesondere in Bezug auf den Penis – bei transsexuellen Männern).

Auch heute benötigen diese Menschen einen Begriff der für das steht was bei Ihnen das Problem ist.
Natürlich kann man dies „Geschlechtskörper-Diskrepanz“ nennen, das trifft definitiv zu, aber warum darf für diese Menschen nicht mehr der Begriff Transsexuell benutzt werden?

Denn und damit sind wir nun bei dem Thema Abgrenzung, wer Transsexualität nach dieser damals ganz klaren bekannten Definition heute zu nutzen wagt  - dem wird vorgeworfen sich (negativ bewertet!) Ab zu Grenzen. Abgrenzen an sich ist also zu etwas negativem geworden, wo es doch ende der siebziger Jahre etwas völlig normales und selbstverständliches war.

Andererseits gibt es auch im LGBTTI/LSBTTI eine deutliche Abgrenzung die auch heute als „Selbstverständlich“ angesehen wird:
Homosexuelle Männer dürfen sich als „Schwul/Gay“ bezeichnen und Homosexuelle Frauen dürfen sich als „Lesbisch“ bezeichnen – obwohl es bei den Bedürfnissen beider Gruppen sehr viel mehr Übereinstimmungen und vor allem keine Gegensätzlichkeit gibt. Hier wo sie also gar nicht erforderlich wäre gibt es eine „Abgrenzung“ die jedoch nicht nur toleriert sondern sogar von allen die mit oder über diese Gruppen reden selbstverständlich genutzt wird.

Anders sieht es bei Transsexuellen aus, sie müssen sich unter die Oberbegriffe, von durch Transgender geprägte Begriffe einordnen lassen. Versuchen sie sich dagegen auf zu lehnen wird ihnen Vorgeworfen das sie sich „negativ bewertet!“ Abgrenzen. Dies erfolgt sogar dort wo diese „Abgrenzung“ vermeintlich akzeptiert zu sein scheint, da zumindest zwei T in den Kürzeln stehen und auch „Transsexuelle“ ausgeschrieben werden.

Aber sie werden nicht als eigenständige Gruppe eben „Transsexuelle“ anerkannt. Schwul und Lesbisch wird als „Gleichberechtigt und Gleichwertig“ auf Augenhöhe nebeneinander stehend behandelt, aber Transsexuelle haben sich in „Trans*“ als Oberbegriff und als „Gruppe“ unter zu ordnen. Ihre teilweise von den anderen Trans-Betroffenen Menschen abweichenden Bedürfnisse werden verleugnet, herunter gerechnet und sogar Pathologisierend als „übermäßige an das binäre Geschlechtermodell angepasst“ bezeichnet.

Doch wie ist es dazu gekommen?
Gehen wir nochmal zurück, das TSG ist in den achtziger Jahren gültig geworden, schon in der Vorbereitungszeit wurden mit Transsexuell Menschen gemeint die ihre Geschlechtskörper-Diskrepanz durch angleichende Maßnahmen beseitigen ließen.

Das TSG verlangte das Menschen die sich als Transsexuell bezeichneten auch die angleichenden Maßnahmen durchführen ließen bevor sie die Personenstands-Änderung bekamen, seit dies jedoch vom Bundes Verfassungs Gericht als nicht mit dem Grundgesetz vereinbar eingestuft wurde ist dies anders. Nun muss ein Mensch der eine Personenstands Änderung haben möchte „nur noch“ mittels zweier Gutachten nachweisen das „eine transsexuelle Prägung“ vorliegt und das sich das Zugehörigkeits-empfinden wahrscheinlich nicht wieder ändern wird. Somit steht nun auch Menschen, die keine „Geschlechtskörper-Diskrepanz“ haben, denen es um die soziale Geschlechtsrolle geht, die Möglichkeit offen eine Personenstandänderung zu bekommen.

Anmerkung: Es ist richtig das auch diese Menschen eine Personenstands-Änderung vornehmen lassen können, aber es ist Falsch das diese Menschen dies unter dem Begriff tun müssen der eigentlich für eine „Körper-Diskrepanz“ steht! Denn so wird das eigentliche Phänomen "Transsexualität" unsichtbar gemacht.

Das Bundesverfassungsgericht hat eine Neuregelung des TSG gefordert, wir fordern dass dabei darauf geachtet wird dass dieses dann nicht mehr allein auf der Diagnose und dem Begriff Transsexualität beruhen darf. Wir schließen uns hier den Forderungen an die in diversen Petitionen zu dieser notwendigen Änderung schon gestellt wurden. Nur so wird es möglich, dass die eigentlich völlig normale und in anderen Bezügen akzeptierte Abgrenzung von Begriffen unterschiedlicher Bedeutungen wieder als "normal" gesehen wird.

Wir werten nicht, sondern wir sagen einfach nur ganz klar und deutlich:
"Körperliche-Diskrepanz ist etwas anderes als eine Diskrepanz der sozialen Rolle".


Erst wenn dieser Aspekt endlich anerkannt wird, erst wenn wir (transsexuelle Menschen und Menschen mit transsexueller Vergangenheit), ebenso wie es bei Schwulen und Lesben schon längst der Fall ist, gleichberechtigt und gleichwertig auf Augenhöhe neben Transgender- oder auch Trans*-Vertretern wahrgenommen und akzeptiert werden → Erst dann wird Abgrenzen keine Problematik mehr sein!

Autor: Frank Gommert - 8.August 2015

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