Antwort: CDU (Niedersachsen)

Frage 1: Derzeit werden sehr verschiedene Phänomenlagen unter Trans* zusammengefasst, Dadurch wird der Eindruck vermittelt, dass alle qualitativ unterschiedlichen Betroffenheiten das Gleiche wären, und es kommt zu Fehldeutungen der Bedarfe, Eigenschaften und Bedürfnisse. Menschen mit originärer Transsexualität – Neuro-Genitales-Syndrom (NGS), sehen sich hierdurch zusehends falsch beschrieben. Wie steht Ihre Partei zu dieser Gleichmacherei und somit zur Verleugnung der Vielfalt?

Antwort: In den vergangenen Jahren haben die Toleranz und Akzeptanz von sexueller Vielfalt und die Anerkennung damit verbundener individueller Rechte große Fortschritte verzeichnen können. Gleichwohl ist eine Entwicklung erkennbar, dass die verschiedenen Ausprägungen sexueller Vielfalt durch die Verwendung von Begriffen wie „queer“, „LSBTTI“, „LSBTI* oder Vielfalt* alle in einen Topf geworfen werden und so eine falsche und für die Betroffenen oftmals verletzende Verallgemeinerung vorgenommen wird.

Aus Sicht der CDU ist die Zusammenfassung so unterschiedlicher Sachverhalte  nicht sinnvoll. Leider hat die rot-grüne Landesregierung in ihrer Förderpolitik diese Differenzierung bislang vermissen lassen, indem sie unter der Zweckbestimmung „Maßnahmen zur Akzeptanz sexueller Vielfalt“  Landesmittel an ein „Queeres Netzwerk Niedersachsen (QNN)“ überweist, das die Mittel dann an andere Verbände weiterverteilt. Die CDU wird diese Förderpolitik ändern und für die nötige Differenzierung sorgen.

Frage 2: Sowohl die Voraussetzungen für die rechtlichen Maßnahmen, als auch für die Bewilligung der somatischen Behandlungen, sind derzeit Prozesse voller Willkür. Je nachdem, an welchen Sachbearbeiter, Gutachter oder an welches Gericht jemand gerät, sind die Schwierigkeiten, Wartezeiten und Kosten sehr unterschiedlich, und nicht vorhersehbar. Die therapeutische Begleitung erfüllt dabei nicht den Zweck der Abklärung eventueller Unsicherheiten, sondern verlangt vielmehr eine „Beweisführung“, die von der unabdingbaren Selbstreflexion ablenkt, ja geradezu ein (Wohl-)Verhalten evoziert, das versucht, der Erwartungshaltung des Therapeuten gerecht zu werden. Was gedenkt Ihre Partei hier zu unternehmen, dass der Prozess der Transition für Betroffene berechenbar wird, und die therapeutische Begleitung tatsächlich den Zweck der Hilfestellung erfüllt?

Antwort: Bei der Bewertung der rechtlichen Voraussetzung für die Bewilligung somatischer Behandlungen müssen zwei widerstreitende Interessen miteinander in Einklang gebracht werden. Zum einen muss insbesondere bei der therapeutischen Begleitung der individuelle Fall im Mittelpunkt stehen und Befürchtungen hinsichtlich einer fehlenden Anerkennung der in Selbstreflexion erzielten Erkenntnis über die eigene sexuelle Identität beschwichtigt werden. Zum anderen wird ein möglichst eindeutiges Anerkennungsmuster gewünscht, um der Angst vor Willkürentscheidungen wirksam zu begegnen. Dieser Konflikt lässt sich für die Landespolitik nur sehr bedingt lösen. Erschwerend kommt hinzu, dass bei Fragen der Kostenerstattung vor allem die Institutionen der Selbstorganisation des Gesundheitswesens, nicht zuletzt der Gemeinsame Bundesausschuss, das entscheidende letzte Wort hat. Aus Sicht der CDU sind hier zentrale Fragen noch nicht hinreichend beantwortet, um an einer für trans- und intersexuelle Menschen so sensiblen Stelle grundlegende Korrekturen der Rechtslage vorzunehmen.

Frage 3: Nur der einzelne Mensch selbst ist in der Lage, über sein Geschlecht Auskunft zu erteilen. Wer von sich sagt, eine Frau bzw. ein Mann zu sein, bei gegengeschlechtlichen Körpermerkmalen, wer in seinem Geschlecht leben und anerkannt werden möchte, wer unter der fehlenden Übereinstimmung leidet, ein Unbehagen gegenüber seinen geschlechtlichen Merkmalen empfindet, und wer für sich die Entscheidung betroffen hat, seinen Körper seinem Geschlecht angleichen zu lassen, ist transsexuell (NGS). Wenn die Diagnose „Transsexualität“ einmalig gestellt wird bzw. maßgeblich aufgrund der Selbstaussage festgestellt wurde, sind die hierfür benötigten somatischen Maßnahmen ohne weitere Prüfung zu gewähren. Wie stellt sich Ihre Partei zu dieser Forderung?

Antwort: Diese Forderung muss ebenso wie die vorherige Frage unter den Vorbehalt einer Entscheidung im Gemeinsamen Bundesausschuss gestellt werden. Die CDU ist dabei skeptisch, ob der damit implizierte Verzicht auf eine therapeutische Begleitung von somatischen Maßnahmen empfehlenswert ist. Gerade bei jüngeren Menschen ist zu befürchten, dass beispielsweise durch eine fehlerhafte Selbstdiagnose emotionale Verletzungen zurückblieben, die durch eine frühzeitigere Begleitung hätten verhindert werden können.

Frage 4a: Welche weiteren Maßnahmen wird Ihre Partei für die Verbesserung der Gesundheitsversorgung originär transsexueller Menschen (NGS) ergreifen? Sind Maßnahmen (Forschung, ärztliche Fortbildung) angedacht, um die Gewährleistung zentraler Bedürfnisse (Genitalangleichung und Hormonversorgung) weiter zu optimieren?

Antwort: Eine moderne, wohnortnahe Krankenhaus-, und Gesundheitsversorgung ist aus Sicht der CDU sowohl in urbanen als auch ländlichen Regionen unverzichtbar. Dabei steht Patienten ein breites und weiter wachsendes Angebot an Therapie- und Behandlungsoptionen zur Verfügung.

Eine Herausforderung bei der Behandlung von transsexuellen Menschen ist dabei sicherlich, dass aufgrund vergleichsweise geringer Fallzahlen Forschungsprioritäten noch keine hinreichende Konzentration auf Fragen insbesondere im Bereich der Genitalanpassung oder der Hormonversorgung erlauben. Es bietet sich jedoch an, gemeinsam zu überlegen, wie beispielsweise Hausärzte oder Therapeuten im Rahmen von Fort- und Weiterbildung besser zur Identifizierung von Erkennungsmerkmalen für eine gegengeschlechtliche sexuelle Identität geschult werden können.

Frage 4b: Was gedenkt Ihre Partei zu unternehmen, um bei betroffenen jungen Menschen die weitere körperliche Fehlentwicklung durch die falsche Pubertät zu verhindern?

Antwort: Eingriffe in die für Betroffene empfundene falsche Pubertät würden ein Handeln bereits in der frühen Jugend erfordern. Gerade aufgrund der erkennbaren Entwicklung, dass insbesondere junge Mädchen immer früher in die Pubertät eintreten, steht die CDU einer derart frühzeitigen Einflussnahme kritisch gegenüber. So ist kaum davon auszugehen, dass die emotionale Entwicklung des Kindes hinreichend fortgeschritten ist, um die erheblichen langfristigen Auswirkungen überschauen zu können. Denkbar wäre es nur, wenn ein Erziehungsberechtigter an Kindes statt entscheiden würde. Dies würde aber zu einer zu Recht zu kritisierenden Missachtung der Selbstreflexion transsexueller Menschen führen.

Frage 5a: Welche Maßnahmen sind von Ihrer Partei angedacht, um die soziale und ökonomische Situation von originär transsexuellen Menschen (NGS) zu verbessern?

Antwort: Eine erfolgreiche Arbeitsmarktintegration setzt voraus, dass individuelle Befähigungen und keine sachfremden Faktoren bei der Entscheidung über die Einstellung und Weiterbeschäftigung zum Tragen kommen. Die Gleichstellungspolitik, anonymisierte Bewerbungen und Maßnahmen zur Fachkräftesicherung stehen für Bemühungen, die Erwerbschancen von Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund und älteren Arbeitnehmern zu stärken und Diskriminierung abzubauen. Auch trans- und intersexuelle Menschen haben Anspruch auf einen diskriminierungsfreien Zugang zum Arbeitsmarkt. Dies gilt sowohl für den erstmaligen Eintritt in ein Unternehmen als auch für die Unternehmenskultur. Eine wichtige Funktion kommt hierbei auch den Gewerkschaften und Betriebsräten zu.

Frage 5b: Originär transsexuelle Menschen (NGS) verlangen nach ihrer Genitalangleichung in ihrem Geschlecht anerkannt zu werden ohne jeglichen genderqueeren Trans*Bezug. Was gedenkt Ihre Partei zu unternehmen, um originär transsexuelle Menschen (NGS) vor der Verleumdung als Trans*Person zu bewahren?

Antwort: Die CDU kritisiert die Vereinnahmung von trans- und intersexuellen Menschen im Rahmen „queerer“ Gleichmacherei, wie sie derzeit mit Unterstützung der rot-grünen Landesregierung betrieben wird. Bei der finanziellen Förderung von Maßnahmen zur sexuellen Vielfalt ist aber eine Differenzierung notwendig, weil die dahinterstehenden Interessen zu unterschiedlich sind. Die CDU spricht sich daher für eine Einzelförderung der jeweiligen Verbände mit finanzieller Schwerpunktsetzung im Bereich Trans- und Intersexualität aus.

Frage 6: Was gedenkt Ihre Partei zu unternehmen, dass transsexuelle Menschen (NGS) multi-medial immer noch als varietewürdig-exotische „Geschlechtswechsler“ dargestellt werden, ohne angemessene Aufklärung über die tatsächliche Phänomenlage, insbesondere auch hinsichtlich der erforderlichen Abgrenzung zu phänotypisch von außen betrachtet „ähnlichen“ Erscheinungsformen wie Transgender, transidenten und sonstigen Trans*Menschen?

Antwort: Der Abbau stereotyper Darstellungen von sexueller Orientierung und sexueller Identität in den Medien hinkt leider deutlich hinter der gesellschaftlichen Toleranz und Akzeptanz im gesellschaftlichen Miteinander her. Sogenannte Trans*Personen werden – wenn überhaupt – meist in einem künstlerischen Umfeld dargestellt, die Darstellung der sexuellen Identität dieser Menschen im Alltagsleben ist dagegen medial unterrepräsentiert. Die größten Chancen, Stereotypen in Medien dauerhaft abzubauen, liegen im Verhalten der Medienkonsumenten. Die Eingriffsmöglichkeiten der Politik begrenzen sich auf die Medienaufsicht, die grobe Verstöße gegen Persönlichkeitsrechte ahnden kann, oder Medienbeteiligung wie die nordmedia als Film- und Mediengesellschaft Niedersachsens.  

Frage 7: Was gedenkt Ihre Partei dagegen zu unternehmen um auch die Rechte der Menschen ohne Trans*Hintergrund zu sichern? Wie verhält es sich beispielsweise bei (demonstrativer) Sichtbarkeit von männlichen Genitalien in speziellen Schutzbereichen wie z.B. Damenduschen oder Damensaunen? Wie sieht es in Zukunft hinsichtlich geschlechtergetrennter Bereiche aus; muss es eine Frau zum Beispiel hinnehmen, mit einer Personen gleichen rechtlichen Geschlechts aber gegengeschlechtlicher Genitalien den Rest ihres Lebens dasselbe Zimmer/Bad im Alten-, Pflegeheim oder ähnlichen Einrichtungen teilen zu müssen?

Antwort: Der Blick in die Vereinigten Staaten zeigt deutlich, welches Risiko der überstürzten Gewährung zusätzlicher Rechte für Trans*Personen und Menschen ohne Trans*Hintergrund innewohnt, wenn Ängste, Missverständnisse und tradierte Rollenverständnisse aufeinander prallen.

Unterschieden werden muss aus Sicht der CDU hier zum einem zwischen gemischtgeschlechtlichen öffentlichen Toiletten und Saunen und solchen, die bislang ausschließlich Frauen vorbehalten sind. Bei letzteren würde der Zutritt einer Trans*Person mit sichtbaren männlichen Genitalien eine Verletzung der Intimsphäre darstellen, die mit der öffentlichen Fürsorgepflicht kaum zu vereinbaren wäre.

Aus Sicht der CDU fehlt es noch an einem hinreichend breiten Konsens, wie berechtigten Teilhabeinteressen von Trans*Personen und Menschen ohne Trans*Hintergrund Rechnung getragen werden kann, ohne die Intimsphäre bzw. die Persönlichkeitsrechte anderer zu verletzen.

Frage 8: Wie gedenkt Ihre Partei sicherzustellen, dass in Zukunft die Bedingungen für die Kostenübernahme durch die gesetzlichen und privaten Krankenversicherer besser, d.h. klar und eindeutig, geregelt werden, und behandlungsbedürftige transsexuelle  Menschen (NGS) von der derzeitigen Bewilligungs-Willkür befreit werden, und ihnen ein Recht auf Behandlung zusteht?

Antwort: Wir verweisen hier auf die Antworten zu Frage 2 und 3 sowie die Verantwortung der Selbstorganisation im Gesundheitswesen.

 Frage 9: Originär transsexuelle Menschen (NGS) fordern die Anerkennung ihres Geschlechts, und dies beinhaltet auch die Unterlassung der für sie vollkommen falschen, geschlechtsverweigernden Aussagen einer „Geschlechtsidentitäts-Problematik“, und statt dessen die Einstufung im ICD 11 unter der Rubrik „angeborene körperliche Abweichungen“. Wie stellt sich Ihre Partei zu diesen Forderungen, und was gedenkt sie zu unternehmen, um sie zu erfüllen?

Antwort: Aus Sicht der CDU sind noch zu viele Fragen offen, um zu einer abschließenden Bewertung dieser Frage zu kommen. Wichtig erscheint es vor allem, noch stärker herauszuarbeiten, an welchen Stellen aus Sicht der originär transsexuellen Menschen (NGS) eine Fehleinstufung erfolgt und wie die damit verbundenen Diskriminierungserfahrungen vermieden werden können. Eine Änderung der aktuellen Förderpolitik zur Akzeptanz sexueller Vielfalt kann dazu einen Beitrag leisten.

Antworten der Parteien.

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